Ein Hotel neu bauen
Interview mit Bettina & Richard Plattner
Interview mit Bettina & Richard Plattner
Das maistra160 ist eines der wenigen Schweizer Hotels, die von Grund auf neu gebaut werden...Wie ist dieser Wunsch entstanden?
Wir haben beide eine klassische Hotelfach-Ausbildung absolviert und dann über 30 Jahre in der Branche gearbeitet. Schon früh ist der Wunsch gewachsen, unser Wissen, unsere Erfahrungen und die vorhandenen Ressourcen in ein eigenes Projekt zu investieren. Ein passendes Objekt zu finden, hat sehr viel Zeit gebraucht. Wir wollten ein Objekt, das zu uns passt, an einem Ort, der zu uns passt. Das Maistra160 am ehemaligen Standort des Hotel Post erfüllt all unsere Vorstellungen – es ist unser Wunschprojekt. Zwischenzeitlich konnten wir die Alpine Lodges realisieren. Das eigene Hotel ist nun als neustes und wohl letztes Projekt dazugekommen. Wir wollten nie ein bestehendes Objekt übernehmen und es renovieren, sondern ein Hotel von Grund auf neu bauen – komplett auf die grüne Wiese. Dass es in Pontresina geklappt hat, freut uns. Hier sind wir zuhause, und wir sehen hier das grösste Potential.
Der Tourismus weltweit und auch in der Schweiz befindet sich gerade in einem grossen Umbruch. Wohin entwickelt sich der Tourismus in den Alpen?
Die Welt verändert sich schneller als noch vor 10 Jahren. Digitalisierung, Individualisierung und Globalisierung, aber auch die Besinnung auf das Lokale sind grosse Themen. Der sogenannte Third Place – also die Verschmelzung von Arbeit, Freizeit und Ferien. Orte schaffen, wo man sich zurückziehen und in Ruhe arbeiten kann, gewinnt an Bedeutung. Dies ist eines der grössten Potentiale für Schweizer Bergregionen. Sie bieten die ideale Kombination von Arbeit und Erholung für Firmen und Organisationen, Familien, Paare und Einzelpersonen … den perfekten Ort für Rückzug, Inspiration und Vernetzung. Besonders das Engadin bietet einen attraktiven Lebensraum mit direktem Zugang zu Natur, Bewegung, Tradition und Kultur. Diese Gedanken fliessen auch in das Konzept des Hotel Maistra ein.
Welches sind Ihre Visionen für das neue Hotel in Pontresina?
In der Regel werden bereits bestehende Hotels weiterentwickelt. Man hat eine Ausgangslage … die Vision wird formuliert, eine Strategie entwickelt, die Architektur folgt der Vision, es wird renoviert, erweitert, erneuert. Im Maistra 160 hingegen bauen wir von Null aus. Dies ist ein total anderer Prozess. Vision und Architektur entwickeln sich parallel. Ganz fest in unserem Vokabular eingenistet haben sich die Begriffe: Räume schaffen und Resonanz. Die Architektur von Gion A. Caminada ist Teil unserer Kultur geworden. Sie schafft Emotionen durch Resonanz, Aufenthaltsqualität, Zugehörigkeit, Reduktion und Sinnhaftigkeit. Das Haus lebt mit dem Menschen und der Mensch mit dem Haus. Ein Gefühl von Heimat entsteht. Im Maistra entstehen neue Räume, die Begegnungen, Aktivitäten und Erlebnisse ermöglichen.
Für die Entwicklung des neuen Hotels arbeiten Sie mit dem renommierten Bündner Architekten Gion A. Caminada zusammen ...
Die grosse Frage lautete: Wer kann mit dieser sensiblen Zentrumslage in Pontresina umgehen? Der Bündner Architekt Gion A. Caminada hat sich bei ähnlichen Anforderungen schon oft bewiesen. Er hat das nötige sensible Gespür, um im Dorfkern etwas Neues zu gestalten. Natürlich haben wir noch andere Architekten in Erwägung gezogen. Gion A. Caminda hat uns jedoch von Anfang an überzeugt, ein gutes Gefühl vermittelt und sehr viel Inhalte geliefert. Der exponierte Standort verdient einen guten Architekten, der sich mit grossem Feingefühl, fundiertem Wissen und Erfahrung in das Projekt einbringt. Man kann an dieser Lage nicht einfach irgend etwas realisieren. Der besondere Ort verdient einen aussergewöhnlichen Bündner Architekten. Das neue Hotel wird starke Präsenz markieren – dies ist auch so gewollt. Präsenz steht aber nicht unbedingt im Widerspruch zu Zurückhaltung oder Schlichtheit. Das Maistra wird aber seiner Rolle als zentrales Hotel in Pontresina gerecht werden – im Sinne von Angeboten für die Einheimischen. Es wird einen Stammtisch geben, das Erdgeschoss Gasthaus-Charakter haben. Auch der Pöstli Keller wird ein Revival erleben und die Creative Box im Hotel ein neues Zuhause finden. Wir wollen die Eintrittsschwelle tief halten – man wird sich trauen reinzugehen.
Wie reagiert die Pontresiner Bevölkerung auf den Neubau?
Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung waren und sind sehr positiv – eigentlich ausnahmslos positiv. Bei der wichtigen Abstimmung zur Zonenplanänderung im Rondo vom März 2019 standen 100 Prozent der 180 Anwesenden hinter dem Projekt, bei nur zwei Enthaltungen. In Pontresina herrscht eine sehr positive Stimmung. Die Meinung ist, dass ein neues Hotel für alle von Vorteil ist und das Angebot im Dorf bereichert. Alle profitieren: Handel, Gewerbe, Hotellerie … Gemeinsinn steht vor Konkurrenzdenken.
Welches sind die besonderen Herausforderungen beim Bau des Hotel Maistra?
Der gestaltende Architekt Gion A. Caminada ist nicht direkt vor Ort, sondern im gleichen Kanton über zwei Autostunden entfernt. Die Gesamtkoordination vor Ort ist anspruchsvoll, es gibt zahlreiche Schnittstellen und einen grossen Kommunikationsbedarf. Insgesamt handelt es sich um eine grosse Baustelle – um ein umfangreiches Projekt mit entsprechend zahlreichen Planern und Partnern, komplexen Abläufen und Hierarchien. Alles musste sich zuerst einspielen und die Kommunikation auf allen Ebenen sichergestellt werden. Dies klappt mittlerweile recht gut. Gion A. Caminada ist ein bekannter Architekt. Dies könnte auch gewisse Risiken bergen. Wir spüren jedoch keinen Hauch von Selbstinszenierung oder Profilierung. Er sucht zwar neue Wege, ist aber sehr offen und gesprächsbereit. Wir schaffen es die Anforderungen von Hoteliers und Architekt zusammen zu bringen und das ganze Team motiviert auf Linie zu halten.
Die Eröffnung ist in rund zwei Jahren geplant. Wo steht das Projekt im Moment?
Das Hotel wird neun Geschosse bekommen: Ein Erdgeschoss und drei Stockwerke sichtbar von der Hauptstrasse und fünf Untergeschosse hangabwärts Richtung Via da la Staziun. Die Garage in den beiden untersten Etagen ist grösstenteils gebaut und somit auch der Boden des Wellness-Bereichs. Sichtbar ist noch nicht viel – aber wir wissen schon einiges. Es wird einen schönen Spa-Bereich geben. Die Kernidee ist vom offenen Kreuzgang abgeleitet. Es wird offenes Feuer geben und ein aussergewöhnliches Bad. Ein multifunktionaler Yoga-Raum schafft vielseitige Möglichkeiten, die Creative Box findet ihr neues Zuhause und wird weiterentwickelt. Im Erdgeschoss entstehen ein offener Restaurationsbereich mit spannender Küche, eine Bar und viel Raum zum konzentrierten Arbeiten (Thema Third Place). Der Pöstli-Keller wird in neuer Form wiederbelebt – an genau der gleichen Stelle und mit separatem Eingang.
Das Interview wurde im Dezember 2020 geführt.